Mark Roberts

Fotoinstallation, landpartie, Zürich, 2. Februar bis 18. März 2007

«Where in the world is ..... Mark Roberts?» Diese Frage, welche die Homepage des britischen «Flitzer-Königs» Mark Roberts ziert, liesse sich im Kontext der Fotoinstallation von Martin Guldimann in «Who on earth is Mark Roberts» umformulieren. Siebzig etwas unscharfe Porträts von Durchschnittsmännern überziehen dicht nebeneinander gehängt die drei Wände des Ausstellungsraums. Konventionelle Brustbilder, unspektakuläre Physiognomien, teilweise nichts sagende Gesichtsausdrücke, ein Querschnitt der verschiedenen Ethnien. Martin Guldimann recherchiert die Vorlagen für diese Bilder im Internet, indem er als Suchkriterium auf eine von ihm angelegte Namensliste von SPAM-Absendern zurückgreift, deren E-Mails sein Postfach gefüllt haben. Aus den Abertausenden online verfügbaren digitalen Fotografien wählt er diejenigen aus, die mit dem Namen «Mark Roberts» bezeichnet sind. Er bearbeitet diese Bilder weiter, vergröbert die digitale Pixel-Struktur, setzt verschiedene Komprimierungsmethoden und andere, das Bild «entstellende» Bearbeitungstechniken ein. Zugleich wird an der Fotografie an sich, an der Gesichtsstruktur, an kleineren, etwas unschönen Details nichts geändert, die Integrität der Dargestellten bleibt gewahrt. Trotzdem rücken die Personen, die möglicherweise Mark Roberts heissen, etwas in den Hintergrund, verschwinden fast unter der glänzenden Oberfläche der hochwertigen Farbabzüge. Durchsetzt von der groben Quadratur digitaler Provenienz verschwimmen die Gesichtszüge, reduzieren sich auf kontrastierende Flächen, auf die einfachsten physiognomischen Gemeinsamkeiten. Sie wirken banal, beliebig und austauschbar. In der installativen Anordnung, durch die Auskleidung des Raumes mit den Bildern verschiebt sich der visuelle Eindruck dieser Männerbildnisse. Ihre Indifferenz kippt ins Bedrohliche, ihre zersetzten Gesichter stossen ab. Es ist jedoch weniger das vielleicht Unschöne, Unattraktive der Männer, weniger ihr momentaner Ausdruck im Moment des Fotografiertwerdens als das Typisierte, quasi Standardisierte, das irritiert und auch verstört.
Vor rund acht Jahren schuf Spike Jonze mit Being John Malkovich eine grandiose, skurrile Filmkomödie über die Möglichkeit, in die Haut eines anderen Menschen zu schlüpfen. Der berühmte Filmstar wird zum (Lebens-)Gefäss anderer Menschen, zum Vehikel ihrer Wünsche, zum Instrument der Erfüllung ihrer (bisher unausgelebten und nicht auslebbaren) Phantasien. Martin Guldimann verfolgt mit der Installation Mark Roberts ein gegenteiliges Konzept, es ist der unbekannte Mensch, das kaum identifizierbare Gesicht, auf das der Blick trifft. Niemand will in die Haut dieser Männer schlüpfen, vielmehr sucht man unter den digital deformierten Zügen nach Spuren einer Identität, nach Anhaltspunkten, wer diese Personen überhaupt sind. Auch ihr gemeinsamer Nenner - der Name - gibt wenig Aufschluss darüber, setzt doch die Annahme, diese Männer hiessen wirklich Mark Roberts, voraus, einem Medium der unüberprüfbaren Informationen und der Selbstdarstellung - dem Internet - zu vertrauen. Die Arbeit zeichnet einen Kreislauf nach: von ihrem Ausgangspunkt, dem gesichtslosen Namen einer Person, über deren visuelle Identifikation und Individualisierung bis hin zu deren neuerlicher Anonymität als Sammlung von verwischten Bildnissen. Die Installation berührt zugleich aber auch die eigene Selbstwahrnehmung, wirft Fragen nach der eigenen Individualität auf. Im Gegenüber der spiegelnden Oberfläche der siebzig Fotografien steht auch die individuelle Persönlichkeit der BetrachterInnen auf dem Prüfstein, wird gleichsam von zahlreichen Männeraugen durchleuchtet und hinterfragt. So verschwindet die Frage, wer Mark Roberts ist, sukzessive zwischen den zahlreichen Gesichtern, bleibt lediglich als Spur im Gedächtnis haften und erinnert an die eigene Identität.

Irene Müller


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